09. November 2010

Vielleicht.

Sie war's: Taren | am: 09.11.2010 | 23:52 | Stempel: bitterschokolade, erkannt | 3 Gedanken »

Wenn die Nacht mit ihren Fingern leise an die Scheiben klopft und heimlich durch Tür- und Fensterrahmen fließt, folgen ihr Schattengestalten, die dich in die Dämmerung sehen lassen, der Dunkelheit blicklos entgegenwartend. Hier im warmen Zimmer wirkt die Welt still, wie erstarrt und dem wandelnden Licht zugewandt ehrfürchtig verharrend.
Ich schaue, ganz im Jetzt verloren, mit einer Haut dünn wie Papier. Das Zwielicht macht mich verletzbar, zerbrechlich, und Sehnsucht erwacht in meiner Brust wie ein plötzlich stürmisches Meer. Wie lang ist es her, daß mich jemand einfach in die Arme nahm und mir zuflüsterte, daß er da sei, daß alles gut werde, daß er mich – mag? Wie lang ist es her, daß mich jemand einfach nur festhielt, daß ich schwach sein durfte und wußte, ich werde gefangen?
Es ist eine resignierende Müdigkeit, die mich begleitet, als ich das Haus verlasse und losradle, gemischt aus Erschöpfung und Einsamkeit. Disziplin, und auch nur sie, treibt mich überhaupt in diesen nasskalten Nieselregen hinaus, das Studium hängt wie Bleigewichte an meinen Pedalen. Um dem Regen und der schlechten Stimmung zu entgehen, trete ich schneller, kämpfe mich gegen Wind und Wasser vorwärts, bis ich nach Luft japse und meine Oberschenkel schmerzen.
Und dann ist es mir mit einem Mal gleichgültig. „Camaleonte“, „Glasgesicht“ – warum nicht meine Eigenheiten nutzen, als Stärke sehen? Warum nicht in die emotionale Totalkontrolle fliehen, warum nicht sich hinter seinen vielen Facetten verstecken? Ich bin nun einmal so, kontrolliert, schwierig, und eben auch oft einsam. Soll mich mein Stundenplan doch überfordern, möge doch mein Alltag so viel für mich bereithalten, daß ich all meine Stärke brauche, um die Disziplin noch aufbringen zu können, das Haus zu verlassen – mit mir selbst auf den Flaggen, einschließlich auch der harten, abweisenden, glatten und unfassbaren Anteile, werde ich es überstehen. Ich bin stark genug, um keinen zu brauchen, an den ich mich anlehne. Ich bin stark genug, um auch mit der Einsamkeit zu leben.

Glasgesicht. Chamäleon. Streng, kindisch, verrückt, albern, kontrolliert, auffällig, zu viel – dann bin ich das eben. Und für ein paar Stunden habe ich mir geglaubt, daß es mir in Zukunft egal ist.

Hm … habe die Gedanken eben nicht so richtig sortiert bekommen, darum hier noch mal in Ruhe, mit mehr Nachdenken.

Ich finde die Wahl der Adjektive, mit denen du dich im letzten Absatz beschreibst interessant und würde nicht unbedingt alle davon unterschreiben.
Nichtsdestotrotz, prägnanter noch finde ich den Satzteil „dann bin ich das eben.“
Genau. Das bist du. Und dafür liebe ich dich. Weil du eben du bist. Nicht trotz, sondern wegen all deinen Eigenheiten.
Die „harten, abweisenden, glatten und unfassbaren Anteile“ sind nun einmal genau so Teil von dir, wie dein unübertrefflicher Humor oder deine unerschütterliche Ruhe in Krisensituationen. Vermutlich sind sie sogar dadurch bedingt.
Und auch wenn das „Glasgesicht“ im ersten Augenblick zugegebenermaßen verstörend ist, so ist es doch eine Facette von dir, die dazu gehört, die wohl auch da sein muss, weil du sonst ein ganz anderer Mensch wärst.
Wie viele dieser Konterbier- und Rotwein-Gespräche hätte es wohl gegeben, wenn du in deiner Ganzheit nicht die wärst, die du eben bist? Und ich möchte wirklich kein einziges davon missen.
Und dem „zu viel“ muss ich vehement widersprechen. Wir hatten das ja, du bist eben präsent. Aber wieso muss das unbedingt negativ sein? Ich kenne kaum einen Menschen, der ein bessere Zuhörer ist als du, mit dem man bessere Gespräche führen kann als mit dir. Und das liegt eben unter anderem daran, dass du „da“ bist.

Stark sein und Disziplin und Einsamkeit sind in Maßen gute Dinge. Übertreib‘ es nur nicht. Ich hoffe einfach mal, dass du weißt, wo die Bäume sind, an die du dich anlehnen kannst, wenn es nötig ist.
Du darfst stark sein, aber du musst es nicht immer sein. Es verliert niemand die Achtung vor dir, wenn du zugibst, dass die Kraft gerade nicht mehr reicht – eher im Gegenteil, so etwas zuzugeben erfordert ja auch Stärke.

Bestimmt gäbe es dazu noch eine Menge mehr zu sagen, aber ich habe ohnehin schon das Gefühl, dass ich mich langsam aber sicher vom springenden Punkt fortbewege und mein Bett ruft immer lauter.
Abschließend sei gesagt, dass zu den hoffentlich kommenden Münster-Zeiten sowieso alles viel besser wird, weil so welche Gedanken dann einfach gemeinschaftlich zunächst diskutiert und dann im Rotwein ertränkt werden. Also, das ist zumindest meine Zukunftsvision. ;)

P.s.: Nur, damit es nicht so wirkt, als könnte ich so etwas tatsächlich stehen lassen, ohne es hinterher nicht zumindest ein bisschen lächerlich zu machen: Wir nähern uns doch langsam dem Blog-Niveau von „damals“ wieder an. Sowohl von der Anzahl der Beiträge, als auch dem Ton der Einträge und Kommentare. :D Wir dürfen nur nicht mehr so selbstreflektiert schreiben und müssen den selbstmitleidigen Jammerton wiederfinden. Jawoll!

Also ich fand dich heute früh kein bisschen zu viel. (:
Und sonst können wir immer noch gemeinsam die Einsamkeit mit Steinen bewerfen, nachdem wir mit den Pädagogen fertig sind…

Ich kenne dieses „zu viel“-Gefühl.
Aber ich finde dich keineswegs zu viel.

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