24. Januar 2019

Wintertage.

Sie war's: Taren | am: 24.01.2019 | 11:32 | Stempel: außen, erlebt | Keine Gedanken »

Unbeweglich und stahlgrau liegt der Main in seinem Bett. Die Schneeflocken sterben lautlos auf und in ihm, ohne die Ruhe seiner Oberfläche zu stören – in meinen Wimpern hingegen bleiben sie kleben und schmelzen zu kleinen und großen Wassertropfen, die mir in die Augen laufen und die Sicht verschleiern. Ich kneife die Lider zusammen, um ihnen zu entgehen, doch der Fahrtwind wirbelt sie mir unerbittlich entgegen, kleine Kälteküsse auf den Wangen und der Stirn. In den Feldern hinter meinem Haus verstecken sich ein Graureiher und ein Grünfink vor den Flocken unter einer kleinen Brücke. Der Fink fliegt auf, als ich mich nähere, doch der Reiher legt lediglich mißtrauisch den Kopf schief und mustert mich von seiner Warte unten im Bach. Ich lächle ihn an und fahre schnell weiter, immer Ausschau haltend nach dem kleinen blauen Funken, dem Eisvogel, der sich vor zwei Tagen erneut auf den raureifweißen Feldern zeigte, doch er bleibt unsichtbar.
Meine Reifen hingegen hinterlassen eine schmale Spur auf der dünnen Schneeschicht in den Feldern und dann unten am Main. Später, auf den Radwegen der Innenstadt, schluckt das Salz auf den Wegen den Schnee, kaum daß er den Boden berührt. Dennoch dreht mein Hinterreifen durch, als ich an einer grünen Ampel wieder anfahre, und ich muß unwillkürlich schmunzeln. Der Winter gibt sich nicht so leicht geschlagen.
Und dann, im Büro, tanzen draußen vor dem Fenster weiterhin die Flocken, ein kleines bißchen Leichtigkeit gegen das Grau des Himmels und die Sehnsucht im Herzen.

11. Oktober 2018

Ferne.

Sie war's: Taren | am: 11.10.2018 | 12:54 | Stempel: denken, fühlen | Keine Gedanken »

Im Dunkeln liegen, die Arme um mich gelegt, ein Festhalten gegen die Entfernung, gegen das Vermissen, gegen das Zerbrechen an all den Kilometern zwischen ihr und mir. Schlaf bleibt fern, also lausche ich dem Flüstern der Nacht und dem Klang meiner eigenen Gedanken und kämpfe gegen das Gefühl des Alleinseins, gegen die Einsamkeit, und verliere doch. Haut wie Papier.

Dabei sollte doch vor allem Freude herrschen. Die Arbeit ist abgegeben, endlich, und die weiteren Schritte liegen erst einmal nicht mehr in meinen Händen. Warten auf die Entscheidung der Promotionskommission, in der Hoffnung, daß sie in meinem Sinne handeln und das Verfahren eröffnen, aber selbst, wenn nicht – es ist nur noch eine Frage von Formalitäten und Wartezeit. Der Hauptteil ist geschafft und abgeschlossen, die Arbeit gedruckt und abgegeben. Ich habe etwas geschafft, an das ich selbst wohl von allen am wenigsten geglaubt hätte. Und nach wie vor sehe ich ungläubig staunend auf den Stapel Papier und frage mich, wie und wann das eigentlich passiert ist. Ob es wahr ist. Ob diese Arbeit wirklich etwas taugt.
Mit dieser Abgabe kommen jedoch auch die Fragen nach dem „danach“, nach einem „wie weiter“ und „wohin“, auf die ich keine Antwort habe. Also, natürlich, ich lächle und sage irgendwas, was nach Optimismus und Plänen klingt. Und vermutlich wird es sich wirklich schon finden, und ich werde mich bewerben und vorstellen und irgendetwas bekommen, in dem ich die ersten schweren Anfangswochen überstehe und dann Schritt für Schritt sicherer und erfahrener werde. Vielleicht. Doch aktuell fehlt mir die Sicherheit eines realistischen Plans, einer konkreten Vorstellung. Ein vorgezeichneter Weg, dem ich nur zu folgen brauche. Und mein altes Mantra, daß ich erst die Diss fertig stelle und dann weitersehe, wird mit einem Mal so bedrohlich nah. Dabei spiele ich doch nur die Erwachsene. Die Wissenschaftlerin. Diejenige, die von irgendwas Ahnung hat. Aber ich bin es nicht.

Es ist eben Herbst.

11. September 2018

Dienstag Morgen, 06:55 Uhr.

Sie war's: Taren | am: 11.09.2018 | 13:08 | Stempel: bitterschokolade, erlebt | Comments Closed

Es ist ein schneller Abschied heute vor dem Bahnhof. Kaum Worte, dafür umso mehr Blicke, letzte kurze Berührungen, Abschiedsküsse, und dann steigt sie ins Auto, während mich meine Beine wie ferngesteuert über die Straße, in den Bahnhof und zum Gleis tragen. Mein Kopf, aber vor allem mein Herz bleibt zurück, als der Zug anrollt und mich über die Elbe und dann fort bringt, fort aus der Stadt der tausend Türmchen, fort von ihr. Bis Leipzig brauche ich, um gegen die Tränen anzukämpfen, die immer wieder ungefragt in meine Augen steigen. Blickloses aus dem Fenster starren, die Hände um den immer kühler werdenden Kaffee geschlossen, und alles, worauf ich mich konzentrieren kann, ist das Atmen. Ein. Aus. Nicht anfangen zu weinen. Ein. Aus. Mich daran erinnern, daß ich nicht einfach in Riesa aussteigen und wieder zurück fahren kann, ich muß sitzen bleiben. Die Arbeit. Die Diss. Ein. Aus. Jede Sekunde entfernt mich von ihr, und ich muß es aushalten, muß die Zeit und die Kilometer verstreichen lassen. Ein. Aus. Weiteratmen.

In Frankfurt steige ich dann in die S-Bahn, die ich immer mit ihr genommen habe, die von ihrer Wohnung uns beide gemeinsam zum Institut brachte. Ich gehe die Wege, die ich mit ihr an der Hand noch vor wenigen Monaten jeden Tag gegangen bin, und spüre ihr Fehlen bei jedem Schritt. Dabei sollte ich dankbar sein für die Zeit, die wir noch gemeinsam hier hatten, und weiß ja auch, daß ich sie bald schon, bald, wiedersehe. Immerhin hatten wir jetzt erst vier Tage, voller Lachen und Ruhe und Sonne und Katzenschnurren und miteinander reden und Zeit verbringen und beieinander sein.

Aber die Abschiede sind furchtbar. Wegfahren ist furchtbar. Also erinnere ich mich daran, weiterzuatmen, und warte und hoffe, daß es irgendwann einfacher wird.

02. August 2018

Wach.

Sie war's: Taren | am: 02.08.2018 | 10:42 | Stempel: Allgemein, bitterschokolade | Comments Closed

Eigentlich (wenn ein Satz schon mit eigentlich beginnt…) bin ich niemand, der sonderlich oft Angst hat. Vor etwas, um etwas, um jemanden. Angst und Sorgen ändern nichts an der Situation, also versuche ich meistens, lieber etwas zu tun, als Zeit darauf zu verschwenden, mir auszumalen, was alles passieren könnte. Was geschieht, geschieht sowieso, egal, ob ich es im Vorhinein schon befürchte oder nicht.
In den vergangenen Beziehungen habe ich mir nur selten Gedanken darüber gemacht, daß ich verlassen werden könnte, daß der andere einfach geht. Das lag zum Teil natürlich auch daran, daß das gar nicht so schlimm gewesen wäre, und außerdem mehr als einmal auch sehr unwahrscheinlich, da größtenteils mein Partner deutlich stärker emotional involviert war als ich. Vielleicht war ich einfach auch zu naiv, dachte, eine Trennung, ein Verlassen werden müßte sich doch in Form von Gesprächen, Streitigkeiten und Problemen miteinander ankündigen, also wäre ich im Falle eines Falles schon vorgewarnt. Daß dies nicht immer der Fall ist, habe ich gelernt, als mich damals M. von heute auf morgen verließ. Aber das war ja auch eh die einzige Beziehung, in der ich ausnahmsweise einmal richtig verliebt war. In der ich stärker hing als er.

Jetzt habe ich Angst. Mit einem Mal habe ich so viel, alles, zu verlieren – und ich weiß ja aus Erfahrung, wie schnell so etwas manchmal gehen kann. Wie sich in wenigen Stunden, die ich nicht einmal da zu sein brauche, plötzlich die Wahrnehmung eines anderen Menschen so verändern kann, daß er sich von mir trennt. Ein falsches Wort, eine falsche Geste, die Unachtsamkeit eines Blicks oder eines nicht genügend durchdachten Satzes, und plötzlich können da Gräben sein, die zu tief und zu breit sind, um sie noch zu überspringen.
Seit diesem Abend vor sechs Jahren hasse ich das Streiten, weil ich jedes Mal davon überzeugt bin, daß ich anschließend allein bin. Seit diesem Abend entschuldige ich mich lieber zu oft als zu wenig, schlucke manche Sätze herunter und achte mißtrauisch auf jedes noch so kleine Zeichen, das vielleicht ein Vorbote, eine Ankündigung sein könnte. Jede Änderung könnte bedeuten, daß etwas nicht stimmt, ein Tag mit schlechter Laune meinerseits könnte bereits einen Grund liefern. Und so kämpfe ich auch gegen mich selbst, wenn diese Furcht dazu führt, daß ich am liebsten nur und ausschließlich unkompliziert, gut gelaunt und stark sein möchte, um bloß keine Anforderungen zu stellen, nicht zu belasten, denn ich weiß, daß das nicht sinnvoll ist und nichts bringt. Daß ich mich nicht verstellen sollte und es auch gar nicht will.
Und dennoch – ein Teil von mir rechnet immer damit, daß dieses Wunder, dieser Traum abrupt, innerhalb eines Augenblickes, wieder vorbei ist.

Es wird besser, wenn ich wieder bei ihr bin.

24. Juli 2018

Veränderungen.

Sie war's: Taren | am: 24.07.2018 | 17:15 | Stempel: erlebt, fühlen | Comments Closed

Es ist nicht ganz einfach, sich auf die vertraute Konferenzatmosphäre und die nun schon seit mehreren Jahren bekannten Menschen einzulassen. Die Prioritäten meines Lebens haben sich verschoben – wo vor Jahren, auf der ersten internationalen Tagung, noch dieses atemlose Staunen angesichts der Hunderten von Vorträgen, Postern und Menschen war, wo ich mich gar nicht entscheiden konnte bei der Vielzahl an Beiträgen, die doch alle potentiell spannend sein konnten, herrscht jetzt eher Müdigkeit und Desinteresse. Ein Großteil der Präsentationen interessiert mich inhaltlich längst nicht mehr, zu klein der Fortschritt, zu eingeschränkt der behandelte Bereich, zu partiell die verwendete Musik. Hier Rhythmus, dort Bewegung, die Untersuchung von Gitarristenhandbewegungen und der Tonhöhenverlauf norwegischer Geigenfolkmusik – die meisten Sessions fühlen sich in diesem Jahr eher nach Zeitverschwendung an. Zwanzig Minuten für einen Vortrag? Ich könnte in dieser Zeit vielleicht einige Sätze meiner Thesis schreiben. Posterpräsentationen? Es ist wahrscheinlich das letzte Mal, daß ich auf einer Musikkonferenz bin – muß ich wirklich noch netzwerken, neue Leute kennenlernen, Interesse heucheln?
Also verbringe ich halbe Tage auf der Konferenz und fliehe ansonsten, mangels Arbeitsplätzen mit Steckdosen, ins Hotelzimmer, um den Vortrag für Samstag zu schreiben und danach an der Diss weiterzuarbeiten. Doch überall in dieser Stadt, im Alltag, lauert zugleich das Vermissen. Tage auf Konferenz bedeuten gleichzeitig Tage ohne sie, Tage, an denen ich allein in einem fremden Bett erwache, an denen ich mich nicht nachts an sie schmiegen kann. Sie trinkt nicht morgens gemeinsam mit mir den ersten Kaffee des Tages. Und all die Dinge, die ich auf dem Weg zum Tagungsort entdecke, möchte ich so gern mit ihr teilen: die verwinkelte steile Altstadtgasse, die kleinen Läden, das Schmunzeln über die Dirndl in den Schaufenstern, die Mischung aus Ekel und Faszination angesichts der verrückten Sorten von Almdudler, die man hier kaufen kann, den Frust über die fehlende Kuhmilch zum Kaffee und die Diskussionen, ob diese Art von Ökobewusstsein, die hier in Form von veganem Essen für alle an den Tag gelegt wird, nicht doch ein wenig übertrieben ist.

Wie sehr man einen anderen Menschen vermissen kann.

10. Juli 2018

Weiteratmen.

Sie war's: Taren | am: 10.07.2018 | 12:59 | Stempel: bitterschokolade, erlebt, verzaubert | Comments Closed

Ich möchte mit den Fingerspitzen Gedichte auf ihre nackte Haut schreiben, ganz sanft, so, daß man es gerade noch spüren kann, ein Lufthauch nur, ein Atemzug. Ich möchte zusehen, wie der Schlaf ihr die Lider schwer werden läßt und die Bewegungen ihrer Brust verlangsamt. Es ist besonders ihr Einschlafen, das mich so sehr mit Glück erfüllt – die Erinnerung an die Momente, in denen sie auf meiner Brust oder in meinen Armen die Augen schloß und schlief, dieses Vertrauen, das sie mir in diesem Moment zeigte, ist kostbar und wundervoll. Ihr Gesicht wird so ruhig, so entspannt, und die Verletzlichkeit des Menschen im Schlaf spielt keine Rolle, wenn wir zusammen sind.
Grundsätzlich spielt so vieles in ihrer Gegenwart keine Rolle. Noch immer vergesse ich Raum und Zeit, wenn ich sie küsse, ansehe, spüre. Tage mit ihr, wenngleich immer viel zu kurz, dehnen sich zu Ewigkeiten, so viel bedeuten mir selbst die Kleinigkeiten des Alltags. Ein Blick von ihr reicht, daß selbst bei strömendem Regen in meinem Inneren Sonnenschein jede Ecke mit Licht und Wärme erfüllt, ein Kuß raubt mir Boden und Gleichgewicht, sie zu beobachten, wie sie morgens aufsteht, Kaffee kocht, sich die Haare bürstet und skeptisch das Wetter vor dem Fenster betrachtet, erfüllt mich mit unbeschreiblicher Liebe. Und dann ist es egal, daß ein Wochenende mit ihr niemals ausreichen kann, und auch der Schmerz der Trennung am Bahnhof, die Tränen in ihren und meinen Augen, verblaßen gegen das Glück, mit dem mich ein einziges kurzes Lächeln von ihr beschenkt. Also suche ich schon im Zug die Erinnerungen dieses Wochenendes und all der Tage zuvor heraus, wärme mich an den kleinen und großen Freuden und rahme all die Umarmungen, Momente und Küsse ein, um mein Inneres damit zu tapezieren. Sie und ich auf der Elbbrücke mit diesem Blick über die Stadt mit all den Türmen, Kuppeln und Dächern, ihre Begeisterung im Theater und der Widerschein der Lichter der Bühne in ihren Augen, ihre Hand in meiner auf dem Weg zu ihren Eltern, ihr Eifer, mir schon in der kurzen Zeit so viel zu zeigen, zu erklären, vorzustellen, ihre Nervosität, ihre Zärtlichkeit und immer wieder ihr Lachen – und noch unter Tränen muß ich wieder lächeln, legt sich Verwunderung und Dankbarkeit und Glück um das Vermissen, um die Sehnsucht, und mildern ihre scharfen Kanten.
Auch wenn ich nicht schlafen kann ohne sie, auch wenn morgens und abends und zwischendurch der Kummer seine Krallen in meinen Rücken schlägt und mich zu Boden reißen will, gibt sie mir doch so viel, an dem ich mich festhalten kann. Und es gibt ja noch so viel zu tun, vorzubereiten, fertigzustellen – und über Arbeit und Organisation verrinnen auch die Stunden, bis sie wieder bei mir ist.

01. Juli 2018

Gespenster.

Sie war's: Taren | am: 01.07.2018 | 20:47 | Stempel: bitterschokolade | Comments Closed

Schlaf war schon immer schwierig. Nein, nicht immer – seit. Die einzige Sache, die von damals blieb und die ich nicht besiegt bekomme, die mich nicht loslässt. Es gibt viele Dinge, die mich nicht schlafen lassen. Eine andere Umgebung. Fremde Menschen. Ungewohnte Geräusche, Hitze, ein anderer Körper neben mir, ein Wechsel der Bettseite, fehlende Fluchtmöglichkeiten, Stress, Sorgen  – und manchmal liege ich auch einfach grundlos wach und lausche stundenlang in die Nacht.
Und dann kam sie. In ihren Armen schlief ich bereits in der ersten Nacht für ein paar kostbare, unerwartete Stunden. Ihre Atemzüge, ihre Wärme lassen mich einschlummern und vertreiben die Dämonen, die mich sonst manchmal nachts besuchen.
Ist es da verwunderlich, daß ich nun, ohne sie, nicht schlafen kann? Nein, wohl nicht.
Also liege ich wach, denke an sie und schlucke die Tränen und den Kummer herunter, so gut ich kann. Statt mich der Leere und der Nacht zu ergeben, greife ich nach Erinnerungen, nach dem Gedanken an ihren Duft und die Sicherheit, die sie mir gibt, locke das Glücksgefühl zu mir zurück, daß es sie überhaupt in meinem Leben gibt, und bete mir selber vor, wie bald ich sie wiedersehe in dieser Stadt ihres Herzens.

Und dennoch – sie fehlt, sie fehlt.

13. Juni 2018

Wege.

Sie war's: Taren | am: 13.06.2018 | 09:31 | Stempel: erlebt, verzaubert | Comments Closed

Der Wecker reißt mich viel zu früh und unbarmherzig aus dem Schlaf. In den letzten Stunden seit dem Sonnenaufgang war ich immer wieder wach, zu hell war die Welt vor dem Vorhang, zu laut die Vögel, und dennoch – jedes Aufwachen bedeutete, mich ein weiteres Mal an sie kuscheln zu können und sie in meine Arme zu schließen. Ein Bein über ihrem, die ganze Fläche meiner Brust an ihren Rücken gelegt, so viel Nähe und Berührung und Sicherheit in dieser Position. Ich fürchte keine Alpträume mehr, weil ihre Umarmung alle schlimmen Gedanken und Bilder vertreibt. Selbst die Schlaflosigkeit von Stunden oder gar einer ganzen Nacht hat ihren Schrecken verloren – ihre Anwesenheit allein läßt die Dunkelheit der Nacht weniger undurchdringlich erscheinen.
Heute quälen wir uns viel zu schnell aus dem Bett, die Tagesplanung läßt keinen Raum für ein langsames Erwachen. Für einige Momente überwiegt die Frustration, daß heute nicht ihre Hände die Müdigkeit von meiner Haut streichen und ihre Lippen mir die Augen öffnen, daß ich nicht auf ihrer Schulter noch für kostbare fünf Minuten die Arbeit und die Welt vergessen darf, sondern unbarmherzig aus dem Bett geworfen werde, doch hält die schlechte Stimmung nicht lange an. Wie könnte ich maulen, da ich doch sie beobachten kann, wie sie sich anzieht, die Zähne putzt und mit so viel Selbstverständlichkeit und Anmut sich in meiner Wohnung bewegt? Es bleibt nur dieses altbekannte ungläubige Staunen, daß sie da ist, daß sie bei mir ist, daß es sie wirklich in meinem Leben gibt – und ich nehme mir, auch schon zum wiederholten Male, vor, ihr ein Fach im Regal oder im Schrank freizuräumen, um auch ganz physisch ihr den Platz in meinem Leben zu geben, den sie emotional längst einnimmt.
Dann brechen wir auf, zur Bushaltestelle und zur Arbeit, und ihre Hand liegt den ganzen Weg über in meiner, so richtig und normal und vertraut.

07. Juni 2018

Kaffeepause.

Sie war's: Taren | am: 07.06.2018 | 10:48 | Stempel: denken, erlebt, verzaubert | Keine Gedanken »

Tage zählen, bis. Von Beginn an war jede Minute, jede Sekunde kostbar, doch desto schneller die Zeit vergeht, desto größer wird das Bedürfnis, den Sand der Uhr aufzuhalten, die Augenblicke festzubinden, damit sie nicht vergehen können. Ich bin furchtbar müde, doch eigentlich will ich nicht schlafen – lieber möchte ich sie ansehen, jeden Millimeter ihres Gesichts in mein Gedächtnis brennen. Ich möchte meinen Fingern die Erinnerung an die Haptik ihres Körpers, an jede Kontur, jede Linie in die Haut schreiben, damit ich sie abrufen kann, wenn sie nicht mehr jeden Abend neben mir einschläft. Also sammle ich, trotz des leise verzweifelten Wissens um die Aussichtslosigkeit, alle Momente mit ihr ein, versuche, mir einzuprägen, wie ihre Augen beim Lächeln strahlen, wie sich ihr Mund verzieht, wenn sie mich neckt, wie ihr Atem klingt, ihr Lachen und ihr Herzschlag. Ich beobachte, berühre, speichere tausend kleine Informationen: den Geruch ihres Nackens, die glatte Weichheit ihrer Haare, die Stellen, an denen sie kitzlig ist, die Wärme ihrer Haut, die Form ihrer Ohren und ihres Bauchnabels, den Anblick ihrer Zehen, und worüber sie lacht, was sie ärgert, wie sich ihre Stirn verzieht, wenn sie nachdenkt, wie es ist, sie zu halten, zu umarmen, zu küssen. Ich präge mir ein, wie sie schwerer wird, wenn sie auf meiner Brust einschläft, wie sich ihre Züge entspannen und der Rhythmus ihres Atems sich beruhigt. Festhalten, bewahren, gegen die Zeit der Trennung, gegen das Vermissen. Wenn wir verharren, wenn wir die Luft anhalten und uns nicht bewegen, vielleicht vergißt uns dann die Zeit.

Und noch immer stolpert mein Herz, wenn sie nur durch die Tür kommt.

04. Juni 2018

Früh.

Sie war's: Taren | am: 04.06.2018 | 09:04 | Stempel: erlebt, verzaubert | Comments Closed

Vor dem offenen Fenster ruft, irgendwo unten am Main, ein Kuckuck. Ich liege da mit geschlossenen Augen, gesenkte Lider gegen die Helligkeit, die sich an den Seiten des Rollos vorbei vorwitzig in den Raum zwängt, und lausche in die Welt. Die kleine Terz des Kuckucks, dazwischen das laute Gurren einer Taube, und Hunderte von anderen Vogelstimmen mischen sich mit den leisen Atemzügen der Liebsten neben mir. In dieser Nacht blieb mir der Schlaf größtenteils verwehrt, warum auch immer, und nun, morgens um kurz nach fünf, bin ich hin- und hergerissen zwischen Wachheit im Angesicht der hellen Sonnenstrahlen und der bleiernen Müdigkeit von ausgebliebenem Nachtschlaf. Schon ergebe ich mich dem Tag, schon greife ich nach dem Handy, um die Zeit bis zum Weckerklingeln mit Lesen und Facebook zu vertreiben, da dreht sich meine Bettgefährtin mit einem leisen Seufzen herum und schmiegt sich an mich, ohne dabei zu erwachen. Ihr Arm fällt sanft um meine Taille, und sie kuschelt ihr Gesicht ganz eng an meinen Hals, so daß jedes Einatmen einen kurzen kühlen Luftstrom und jedes Ausatmen Wärme über meine Wangen legt. Ich spüre ihren Brustkorb, wie er sich Haut an Haut mit meinem ausdehnt und zusammenzieht, und ihre Schläfrigkeit und Entspannung sind so beruhigend, daß ich das Handy wieder beiseite lege und mit erneut geschlossenen Augen ihre Nähe genieße, jeder Atemzug ein heller, strahlender Glücksmoment. Und so bleiben wir liegen, sie schlafend, ich im Dämmerzustand zwischen Nacht und Morgen, während draußen die Vögel langsam im aufkommenden Verkehrslärm verstummen, die kühle Luft sich erwärmt und ein neuer Tag über der Großstadt sein Lied anstimmt.

03. Juni 2018

Junisonntag.

Sie war's: Taren | am: 03.06.2018 | 17:49 | Stempel: erlebt, verzaubert | Comments Closed

Obwohl die Vernunft uns der sonnendurchfluteten Leichtigkeit von freien Tagen fernhält und stattdessen an die Laptops und damit an die Arbeit quält, bleibt mein Herz leicht. Wenn ich den Blick vom Bildschirm hebe, sehe ich sie, wie sie in sommerlich leichter Kleidung Bücher in Umzugskartons packt und ab und zu, wenn sie glaubt, daß ich es nicht mitbekomme, mit diesem herrlich leichten Lächeln zu mir hinüber sieht. Ich höre ihre nackten Füße auf dem Fußboden, wenn sie sich bewegt, das Rascheln der Seiten und die Eleganz ihrer Bewegungen im Raum. Auf meinen Lippen, meiner Haut weilt das Nachbild ihrer Berührung, und wenn es zu verschwinden droht, kann ich aufsehen, sie anlächeln und die Erinnerung erneuern.
Nein, so ist das Arbeiten an meiner Diss nicht schlimm, wenn es derart begleitet wird. Ihre bloße Anwesenheit erfüllt mich mit Wärme, und die kleinen, liebevollen Aufmerksamkeiten, mit denen sie sich um mich kümmert, helfen zusätzlich gegen Frust und fehlende Motivation. Und so arbeite ich, auch wenn draußen vor den Fenstern der Sommer schwer über der Stadt liegt und von Badeseen und Eis flüstert, auch wenn der Anblick ihrer nackten Haut meine Gedanken an ganz andere Orte führen möchte und mein Kopf so viel lieber die Zeit mit ihr mit Unternehmungen, Gesprächen oder Verrücktheiten füllen würde als mit der Arbeit. Solang sie bei mir ist, solang ich sie mit allen Sinnen in mich aufnehmen kann, ist alles, alles gut.

04. Mai 2018

Sonnenmorgen

Sie war's: Taren | am: 04.05.2018 | 10:19 | Stempel: erlebt, verzaubert | Comments Closed

Beim Weckerklingeln an sie gekuschelt aufwachen, und noch mit halb geschlossenen, müden Augen den ersten Kuss bekommen – vollkommenes, pures Glück. Da ist dann auch egal, daß der Tag draußen erst erwacht, daß ich fauler Wissenschaftler normalerweise noch stundenlang schlafen würde – für diesen Moment des gemeinsamen Aufwachens tausche ich gern. Und dann bleiben ein paar Augenblicke, fünf Minuten, in denen ich mich an sie oder sie sich an mich schmiegt, in denen wir uns halten und küssen und langsam, langsam dem Tag entgegen blinzeln, bevor einer oder beide von uns aufstehen müssen. Doch selbst dann ist es unmöglich, sich ganz zu trennen, wir suchen einander für einen kurzen Kuss, eine Berührung, einen Blick, bevor die erbarmungslose Uhrzeit sie aus dem Haus treibt. Und ich bleibe liegen, in diesem Bett, das ohne sie so groß und leer ist, und spüre die fehlende Nähe körperlich auf meiner Haut. Auf ihrer Bettseite findet sich in der Decke noch ein Hauch ihrer Wärme, und in den Laken finde ich ihren Geruch – und für eine halbe Stunde bleibe ich liegen, atme das Vermissen aus und die Erinnerung an sie in mich hinein, bevor die Sonne an das Dachfenster klopft und mich aus dem Bett treibt, hinein in den Tag.
Das Gefühl ihrer Lippen auf den meinen jedoch bleibt, bleibt, während ich dusche, mich anziehe und zur Bahn laufe, bleibt für den Weg und während der Arbeit, bis ich sie wiedersehe und das Phantombild ihrer Lippen gegen die Wirklichkeit eintauschen kann.

Vergangenheit