bitterschokolade

11. September 2018

Dienstag Morgen, 06:55 Uhr.

Taren • am 11.09.2018 um 13:08 in bitterschokolade, erlebt
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Es ist ein schneller Abschied heute vor dem Bahnhof. Kaum Worte, dafür umso mehr Blicke, letzte kurze Berührungen, Abschiedsküsse, und dann steigt sie ins Auto, während mich meine Beine wie ferngesteuert über die Straße, in den Bahnhof und zum Gleis tragen. Mein Kopf, aber vor allem mein Herz bleibt zurück, als der Zug anrollt und mich über die Elbe und dann fort bringt, fort aus der Stadt der tausend Türmchen, fort von ihr. Bis Leipzig brauche ich, um gegen die Tränen anzukämpfen, die immer wieder ungefragt in meine Augen steigen. Blickloses aus dem Fenster starren, die Hände um den immer kühler werdenden Kaffee geschlossen, und alles, worauf ich mich konzentrieren kann, ist das Atmen. Ein. Aus. Nicht anfangen zu weinen. Ein. Aus. Mich daran erinnern, daß ich nicht einfach in Riesa aussteigen und wieder zurück fahren kann, ich muß sitzen bleiben. Die Arbeit. Die Diss. Ein. Aus. Jede Sekunde entfernt mich von ihr, und ich muß es aushalten, muß die Zeit und die Kilometer verstreichen lassen. Ein. Aus. Weiteratmen.

In Frankfurt steige ich dann in die S-Bahn, die ich immer mit ihr genommen habe, die von ihrer Wohnung uns beide gemeinsam zum Institut brachte. Ich gehe die Wege, die ich mit ihr an der Hand noch vor wenigen Monaten jeden Tag gegangen bin, und spüre ihr Fehlen bei jedem Schritt. Dabei sollte ich dankbar sein für die Zeit, die wir noch gemeinsam hier hatten, und weiß ja auch, daß ich sie bald schon, bald, wiedersehe. Immerhin hatten wir jetzt erst vier Tage, voller Lachen und Ruhe und Sonne und Katzenschnurren und miteinander reden und Zeit verbringen und beieinander sein.

Aber die Abschiede sind furchtbar. Wegfahren ist furchtbar. Also erinnere ich mich daran, weiterzuatmen, und warte und hoffe, daß es irgendwann einfacher wird.

02. August 2018

Wach.

Taren • am 02.08.2018 um 10:42 in Allgemein, bitterschokolade
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Eigentlich (wenn ein Satz schon mit eigentlich beginnt…) bin ich niemand, der sonderlich oft Angst hat. Vor etwas, um etwas, um jemanden. Angst und Sorgen ändern nichts an der Situation, also versuche ich meistens, lieber etwas zu tun, als Zeit darauf zu verschwenden, mir auszumalen, was alles passieren könnte. Was geschieht, geschieht sowieso, egal, ob ich es im Vorhinein schon befürchte oder nicht.
In den vergangenen Beziehungen habe ich mir nur selten Gedanken darüber gemacht, daß ich verlassen werden könnte, daß der andere einfach geht. Das lag zum Teil natürlich auch daran, daß das gar nicht so schlimm gewesen wäre, und außerdem mehr als einmal auch sehr unwahrscheinlich, da größtenteils mein Partner deutlich stärker emotional involviert war als ich. Vielleicht war ich einfach auch zu naiv, dachte, eine Trennung, ein Verlassen werden müßte sich doch in Form von Gesprächen, Streitigkeiten und Problemen miteinander ankündigen, also wäre ich im Falle eines Falles schon vorgewarnt. Daß dies nicht immer der Fall ist, habe ich gelernt, als mich damals M. von heute auf morgen verließ. Aber das war ja auch eh die einzige Beziehung, in der ich ausnahmsweise einmal richtig verliebt war. In der ich stärker hing als er.

Jetzt habe ich Angst. Mit einem Mal habe ich so viel, alles, zu verlieren – und ich weiß ja aus Erfahrung, wie schnell so etwas manchmal gehen kann. Wie sich in wenigen Stunden, die ich nicht einmal da zu sein brauche, plötzlich die Wahrnehmung eines anderen Menschen so verändern kann, daß er sich von mir trennt. Ein falsches Wort, eine falsche Geste, die Unachtsamkeit eines Blicks oder eines nicht genügend durchdachten Satzes, und plötzlich können da Gräben sein, die zu tief und zu breit sind, um sie noch zu überspringen.
Seit diesem Abend vor sechs Jahren hasse ich das Streiten, weil ich jedes Mal davon überzeugt bin, daß ich anschließend allein bin. Seit diesem Abend entschuldige ich mich lieber zu oft als zu wenig, schlucke manche Sätze herunter und achte mißtrauisch auf jedes noch so kleine Zeichen, das vielleicht ein Vorbote, eine Ankündigung sein könnte. Jede Änderung könnte bedeuten, daß etwas nicht stimmt, ein Tag mit schlechter Laune meinerseits könnte bereits einen Grund liefern. Und so kämpfe ich auch gegen mich selbst, wenn diese Furcht dazu führt, daß ich am liebsten nur und ausschließlich unkompliziert, gut gelaunt und stark sein möchte, um bloß keine Anforderungen zu stellen, nicht zu belasten, denn ich weiß, daß das nicht sinnvoll ist und nichts bringt. Daß ich mich nicht verstellen sollte und es auch gar nicht will.
Und dennoch – ein Teil von mir rechnet immer damit, daß dieses Wunder, dieser Traum abrupt, innerhalb eines Augenblickes, wieder vorbei ist.

Es wird besser, wenn ich wieder bei ihr bin.

10. Juli 2018

Weiteratmen.

Taren • am 10.07.2018 um 12:59 in bitterschokolade, erlebt, verzaubert
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Ich möchte mit den Fingerspitzen Gedichte auf ihre nackte Haut schreiben, ganz sanft, so, daß man es gerade noch spüren kann, ein Lufthauch nur, ein Atemzug. Ich möchte zusehen, wie der Schlaf ihr die Lider schwer werden läßt und die Bewegungen ihrer Brust verlangsamt. Es ist besonders ihr Einschlafen, das mich so sehr mit Glück erfüllt – die Erinnerung an die Momente, in denen sie auf meiner Brust oder in meinen Armen die Augen schloß und schlief, dieses Vertrauen, das sie mir in diesem Moment zeigte, ist kostbar und wundervoll. Ihr Gesicht wird so ruhig, so entspannt, und die Verletzlichkeit des Menschen im Schlaf spielt keine Rolle, wenn wir zusammen sind.
Grundsätzlich spielt so vieles in ihrer Gegenwart keine Rolle. Noch immer vergesse ich Raum und Zeit, wenn ich sie küsse, ansehe, spüre. Tage mit ihr, wenngleich immer viel zu kurz, dehnen sich zu Ewigkeiten, so viel bedeuten mir selbst die Kleinigkeiten des Alltags. Ein Blick von ihr reicht, daß selbst bei strömendem Regen in meinem Inneren Sonnenschein jede Ecke mit Licht und Wärme erfüllt, ein Kuß raubt mir Boden und Gleichgewicht, sie zu beobachten, wie sie morgens aufsteht, Kaffee kocht, sich die Haare bürstet und skeptisch das Wetter vor dem Fenster betrachtet, erfüllt mich mit unbeschreiblicher Liebe. Und dann ist es egal, daß ein Wochenende mit ihr niemals ausreichen kann, und auch der Schmerz der Trennung am Bahnhof, die Tränen in ihren und meinen Augen, verblaßen gegen das Glück, mit dem mich ein einziges kurzes Lächeln von ihr beschenkt. Also suche ich schon im Zug die Erinnerungen dieses Wochenendes und all der Tage zuvor heraus, wärme mich an den kleinen und großen Freuden und rahme all die Umarmungen, Momente und Küsse ein, um mein Inneres damit zu tapezieren. Sie und ich auf der Elbbrücke mit diesem Blick über die Stadt mit all den Türmen, Kuppeln und Dächern, ihre Begeisterung im Theater und der Widerschein der Lichter der Bühne in ihren Augen, ihre Hand in meiner auf dem Weg zu ihren Eltern, ihr Eifer, mir schon in der kurzen Zeit so viel zu zeigen, zu erklären, vorzustellen, ihre Nervosität, ihre Zärtlichkeit und immer wieder ihr Lachen – und noch unter Tränen muß ich wieder lächeln, legt sich Verwunderung und Dankbarkeit und Glück um das Vermissen, um die Sehnsucht, und mildern ihre scharfen Kanten.
Auch wenn ich nicht schlafen kann ohne sie, auch wenn morgens und abends und zwischendurch der Kummer seine Krallen in meinen Rücken schlägt und mich zu Boden reißen will, gibt sie mir doch so viel, an dem ich mich festhalten kann. Und es gibt ja noch so viel zu tun, vorzubereiten, fertigzustellen – und über Arbeit und Organisation verrinnen auch die Stunden, bis sie wieder bei mir ist.

01. Juli 2018

Gespenster.

Taren • am 01.07.2018 um 20:47 in bitterschokolade
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Schlaf war schon immer schwierig. Nein, nicht immer – seit. Die einzige Sache, die von damals blieb und die ich nicht besiegt bekomme, die mich nicht loslässt. Es gibt viele Dinge, die mich nicht schlafen lassen. Eine andere Umgebung. Fremde Menschen. Ungewohnte Geräusche, Hitze, ein anderer Körper neben mir, ein Wechsel der Bettseite, fehlende Fluchtmöglichkeiten, Stress, Sorgen  – und manchmal liege ich auch einfach grundlos wach und lausche stundenlang in die Nacht.
Und dann kam sie. In ihren Armen schlief ich bereits in der ersten Nacht für ein paar kostbare, unerwartete Stunden. Ihre Atemzüge, ihre Wärme lassen mich einschlummern und vertreiben die Dämonen, die mich sonst manchmal nachts besuchen.
Ist es da verwunderlich, daß ich nun, ohne sie, nicht schlafen kann? Nein, wohl nicht.
Also liege ich wach, denke an sie und schlucke die Tränen und den Kummer herunter, so gut ich kann. Statt mich der Leere und der Nacht zu ergeben, greife ich nach Erinnerungen, nach dem Gedanken an ihren Duft und die Sicherheit, die sie mir gibt, locke das Glücksgefühl zu mir zurück, daß es sie überhaupt in meinem Leben gibt, und bete mir selber vor, wie bald ich sie wiedersehe in dieser Stadt ihres Herzens.

Und dennoch – sie fehlt, sie fehlt.

24. August 2015

Die Ruhe selbst.

Taren • am 24.08.2015 um 19:33 in bitterschokolade, fühlen, verzaubert
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hätt ich das gewusst
wär ich noch geblieben
hätte fotos gemacht
und alles mitgeschrieben
um mir später zu beweisen
dass es war
[…]

Diese kleinen Momente, die kurz diese seltsame Mischung aus Grinsen, Irritation und Verwirrung hervorrufen. Aber es ist gut, daß inzwischen definitiv das Grinsen überwiegt über diesen verrückten Abend, über die Ironie des Schicksals und meinen Hang dazu, das größtmögliche Drama zu finden.

[…]
ich hab die ruhe selbst gefunden
für einen kurzen augenblick
doch dann rannten mir die füße
davon

die ruhe blieb zurück

Spaceman Spiff (wer auch sonst): Schwarz weiss und Die Ruhe selbst

23. August 2015

Be that cat!

Taren • am 23.08.2015 um 00:26 in bitterschokolade, fühlen, verzaubert
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Kopfchaos, Müdigkeit jenseits aller Grenzen und Verwirrung. Das ist mir wirklich lange nicht mehr passiert, daß es mich so sehr von den Beinen wirft (auch wenn es schön ist zu sehen, daß es noch geht).

und all die fleißigen gedanken
richten mehr an als sie begreifen können

Spaceman Spiff: Milchglas

Ewig lange Abende, mit Musik und Gelächter und Alkohol und so vielen Menschen. Tanzen, ausgerechnet ich, tanzen und lachen und sich näher kommen und flirten und sich im gleichen Rhythmus bewegen. Und die Erinnerung an einen anderen Körper zwischen den Händen, im Arm, an mir.
Jetzt einfach schlafen. Und dann, nach dem Aufwachen, bekomme ich vielleicht auch wieder etwas Kontrolle über dieses Wirrwar im Herzen. Ich lasse mir doch nicht von Welt einreden, daß ich sonst einsam bin.

(Titelzitat von Laini Taylor: Daughter of Smoke and Bone)

22. Januar 2015

Drum, Brüder, eine gute Nacht

Taren • am 22.01.2015 um 22:10 in bitterschokolade, fühlen
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Vielleicht, vielleicht ist es nicht leicht,
das alles zu ertragen.
Die Hoffnung ist schon vorgerannt,
um das Grab schon mal zu graben.

Kettcar

Die Nachricht am Samstag, daß es vorbei ist, kam nicht überraschend. Wir hatten schließlich alle nun bereits vier Tage darauf gewartet, vier Tage, in denen sich Blut in einem Kopf ausbreitete, vier Tage, in denen morgens und abends Anrufe getätigt wurden, um Werte und Status abzufragen, vier Tage, in denen jedes Vibrieren des Mobiltelefons mein Herz schneller schlagen ließen, eine Mischung aus Angst und verzweifelter Hoffnung. Es ist gut für sie, daß sie gehen konnte. Es ist okay. Daß sie so gehen konnte – ruhig, mit zwei ihrer Kindern bei ihr, einfach langsam mit dem Atmen aufhören.

Aber heute, als die Musik spielte und sie ihren Sarg aus der Kapelle so voller Blumen und Menschen hinaustrugen, heute, als sich der Strauß ihres Mannes aus Rosen und Orchideen, die sie so liebte, mit ihr hinab in die Erde senkte, heute, als wir später noch nur im engsten Familienkreis am frisch geschlossenen Grab standen – da war es nicht okay, da war es einfach nur furchtbar. Sie, der ich vor zwei Jahren noch ewiges Leben zugetraut hätte, deren Geburtstag wir da noch voller Freude und Lachen und Munterkeit feierten, ist nicht mehr. Und ich vermisse sie. Sie war mein ganzes Leben lang schon da.

Jetzt wird sie mich nicht mehr an meinem Geburtstag anrufen (und mich dreimal verpassen). Das hat sie zwar auch die letzten zwei Jahre nicht mehr getan, weil sie nicht mehr wusste, welches Datum war und daß ich da geboren worden war, aber sie war da. Jetzt ist sie es nicht mehr.

Lebe wohl.

10. Oktober 2012

Herbstlaub.

Taren • am 10.10.2012 um 19:56 in bitterschokolade
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Wie hat es früher funktioniert? Was habe ich getan gegen die frühe Dunkelheit, die Kälte, gegen das Gefühl der Einsamkeit inmitten erleuchteter Fenster? Wie konnte ich den Herbst denn letztes Jahr von mir fernhalten?

Die Luft ist schon schneidend, morgens, wenn ich mit dem Fahrrad über den großen Ring zu meinem Institut fahre, und abends, wenn ich zurück in meine eigenen vier Wände komme. Kalte Hände am Lenker, die Schultern hochgezogen, um möglichst wenig Fahrtwind an Hals und Brust zu lassen, und die Sonnenstrahlen, die ab und zu die Wolken durchbrechen, schmecken nach Birnen und Laub. Ich versuche es, jeden Tag neu, hier anzukommen, mich an diese neue Stadt zu gewöhnen, wirklich – ich bemühe mich, mit meinen Mitstudenten zu sprechen, nett und gesellig zu sein, ich suche mir Sportgruppen und einen neuen Chor.
Aber abends zieht mit den Wolken auch der Optimismus des Tages davon, und was bleibt, ist bittere Sehnsucht nach dem Norden, den Freunden, den wöchentlichen Ritualen, Treffen und Gewohnheiten. Mein altes Leben fehlt mir.

Es darf nicht sein. Lächeln, immer wieder betonen, daß ich hier schon ankommen werde, daß es sicher bald ein Zuhause wird. Reicht ja, wenn die Einsamkeit mich nervt, das muß nicht noch weitergetragen werden – zumal auch niemand helfen kann. Ich darf nur nicht zuhören, was Heimweh und Alleinsein abends flüstern, darf keine Aufmerksamkeit schenken auf das, was war. Es ist mein Traum, den ich hier lebe – und wenn ich mich nur lang genug daran festhalte, wird er schon tragen, auch wenn er sich grade nicht mehr nach Ziel und dem richtigen Weg anfühlt.

13. Februar 2012

Photonen.

Taren • am 13.02.2012 um 15:59 in bitterschokolade
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Grauer Himmel, dreckige Schneereste im Hof. In den letzten Wochen hatten sich die Anforderungen von Arbeit, Universität und Vorbereitung für Kommendes wie ein Kokon um mich gewickelt, und lassen mich nun bei ihrem Wegfall ungeschützt und bloß zurück. Zeit, die ich nicht mehr wirklich zu füllen weiß, und gleichzeitig weiterhin Termine, die mein Bewußtsein dankbar als Vorwand nimmt, um noch immer nicht entspannen zu können.
Und jetzt? Ich habe Sehnsucht nach Frühling, nach Wärme und Geborgenheit, nach langen, lichtdurchfluteten Tagen am Meer, gegen all das Winterdunkel. Ich habe Sehnsucht nach Erfolg, danach, daß diese zermürbende Angst hinter mir zurückbleibt und Raum und Platz für Zukunftsträume und Hoffnung und Freude macht. Ich will mich in Arme fallen lassen, die mich seit Jahren kennen und alle Schatten schon gesehen haben. Ich vermisse ihn, noch immer. Wie dumm von mir.

Doch – es geht voran. Bald erstmal einen Ortswechsel, in behütende und sorgende Hände, dorthin, wo jemand darauf wartet, daß ich nach der Arbeit nach Hause komme, und im Praktikum wieder neu entdecken, weswegen ich kämpfe und arbeite und hoffe. Wo mein Weg ist. Und dann, endlich: Frühling.

28. Januar 2012

Selbstermutigung.

Taren • am 28.01.2012 um 20:41 in bitterschokolade, denken
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Draußen im Hof taut der der Schnee dieses Winters.
Ein langer Abend vor dem PC steht mir bevor, wieder einmal eine viel zu spät in Angriff genommene Hausarbeit. Mein Zimmer ist chaotisch, ich müßte dringend Staub saugen und putzen. Und – mein Klavier ist still.
Viel zu viel bleibt liegen in dieser allzu vollen Zeit, viel zu viel Arbeit verdrängt alles andere. In mir ist eine schon verzweifelte Sehnsucht nach dem Frühling, nach Sonne und Wärme und Aktivität. Mein nach wie vor geschienter Arm ist zwar mittlerweile in begrenztem Radius beweglich, doch funktioniert noch immer viel zu wenig. Der Sport bleibt verwehrt, noch ist unklar, wie lang, und auch das Musizieren ist mit Schmerz und viel Frustration verbunden.
Lange war ich nicht mehr so verwundbar, so verletzlich. Die Schiene an meinem Arm bringt alte, lang vergessene Körpererinnerungen an Verbände, andere Verletzungen, andere Schmerzen hervor, und ich hasse das Gefühl von Fragilität und Versehrtheit, das mir der noch immer geschwollene Ellenbogen in seinen bunten Regenbogenfarben aufzwingt. Träume von damals, manchmal gar der plötzlich auftauchende Wunsch danach, mein Blut zu sehen, die Schwäche sichtbar zu machen, den ich sofort von mir wegschiebe – plötzlich ist da wieder Kampf, wo doch so lange einfach Leben war. Aufstehen, arbeiten, durchhalten, lächeln und lachen und scherzen, obwohl in mir diese Müdigkeit hängt, obwohl mir die Freude in meinem Leben fehlt. Durchhalten – es wird vorbeigehen, ich weiß. Weniger Arbeit, mehr Funktion im Arm, Klavier und bald wieder Sport, und mein Feuer wird wieder brennen.
Die Kälte lähmt. Doch, egal. Augen öffnen, Rücken grade strecken und weitergehen. Ich werde wieder heilen, so wie ich immer geheilt bin, und: ich habe viel mehr Kraft als alles, was mir grad im Wege liegt.

04. Oktober 2011

Silent.

Taren • am 04.10.2011 um 23:33 in bitterschokolade, hören
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Du kannst die Augen wieder öffnen
Denn wir sind da, wo die Träumer wohnen
Und kämpfen mit vereinten Kräften
Gegen die Fakten, denn die kennen wir schon
Der gute Wille kommt von oben
Laß‘ uns von unten durch den Keller rein
Was zum Teufel hat Dich bloß so verbogen?
Wir wären nicht was wir sind ohne ein Stück Illusion
Wir wüssten nicht mehr wohin, nicht zurück, nicht nach vorn
Wir tragen zur Schau, wir wahren den Schein
Wir können alles sein

Anna Depenbusch, „Wir sind Hollywood“

Lachen, scherzen, unterwegs sein und andere treffen, immer ein Lächeln auf den Lippen und mit Leben diese Stille füllen – was sollte ich denn auch sonst tun? In mir ruht so hartnäckig und tief ein Schweigen, das sich in den Wänden festbeißt und mit mir verschmolzen ist, daß ich noch immer manchmal zu zerbrechen drohe. Wohin mit der Angst, der Traurigkeit und der Herbstmelancholie, die unter den letzten Sommersonnenstrahlen zuckt und doch schon im Schatten lauert? Es fehlen Worte, und in dem schwankenden, wirbelnden Tanz der fallenden Blätter kreisen Erinnerungen und Gedanken bedrohlich dicht unter der Oberfläche des Bewußtseins, rauben den Schlaf und stören den Tag.
Und „Alles wie immer, alles ist okay“ wird zum Credo, zum beruhigenden Mantra, wenn ich mir den Mantel des Lächelns umlege und wieder hinausgehe, immer wieder hinaus – gegen die Stille.

13. September 2011

Was immer mir der Wind erzählt.

Taren • am 13.09.2011 um 13:16 in bitterschokolade, erlebt
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Eine Haut aus Glas, so dünn, so durchscheinend. Ich schwanke zwischen Vorfreude und Traurigkeit, ein Taumeln zwischen den unterschiedlichen Welten – eine Ahnung künftigen Glücks im Wiedersehen mit den Freunden, mit der Liebsten, im Spüren des Windes auf meiner Haut, Salz und Wellen, Meer und Gischt, meine vertraute, gemütliche Wohnung, mein eigenes Bett und die Geborgenheit des Daheimseins. Und gleichzeitig bohren Abschiede schmerzhaft in meine Haut, das Bewußtsein des Fehlens, des Vergehens. Man gewöhnt sich so schnell an das Zusammensein, an die leichte Selbstverständlichkeit der Gegenwart von Menschen, ja, ich habe mich sogar an die schwierige und anstrengende Arbeit gewöhnt, an meine Patienten, an die Wege in der Klinik und die Kollegen. Doch am meisten werden sie fehlen, die Menschen, die mir wie Teile von mir selbst erscheinen.

Ich hasse Abschiede.

Vergangenheit -