09. Juli 2012

Fort.

Sie war's: Taren | am: 09.07.2012 | 22:00 | Stempel: gefragt | 2 Gedanken »

„Schau, die Wolken sind vergangen,
die den Blick uns lang vergällt,
und die Landschaft, grau verhangen,
ist mit einem Mal erhellt.
Tiefe Schatten werden lichter,
wenn die Sonne golden scheint,
und es wird der Tod zum Dichter,
wenn er sich mit Liebe eint.“

Viktor Ullmann, „Der Kaiser von Atlantis“

Vielleicht muß es manchmal schlimmer werden, damit es besser werden kann. Die so oft vorbeiziehenden Gewittergüsse draußen, die Stadt und Himmel in Schwärze tauchen und wegspülen, was sich ihnen in den Wege stellt, malen den Norden oft in ein eigenartiges Novembergrau, was wie ein würdiger Abschied scheint. Ich schwanke zwischen Vorfreude und Wehmut, zwischen Hoffnung und Auflösung, und gehe beinahe trotzig immer weiter auf den selbstgewählten Termin des Umzugs zu, an dem ich Meer, Wind und Norden verlassen soll. Letzte Treffen, Feiern, die doch keinen unbeschwerten Frohsinn mehr in sich tragen, und immer wieder abends die Melancholie und Sehnsucht, die schon jetzt meine Wahlheimat vermisst.
In Kisten und Kartons verschwindet meine kleine Zuflucht hinten im Hof, in der ich vier Jahre gelebt habe, und trotz des neuen Schlüssels fühlt sich alles immer nur nach Ende, Entwurzelung und Aufgabe an.
Vielleicht darf ich es nicht als Abschied, sondern nur als Zwischenlösung sehen, weil ich doch nicht dauerhaft das Meer verlasse. Vielleicht muß ich mir trotz Hektik und tausend Aufgaben im Kopf einfach täglich eine halbe Stunde nehmen, um zu fotografieren und die Orte aufzusuchen, die mein sind und die ich zumindest als Bild mitnehmen möchte, unabhängig vom Wetter, von Stimmung und Zeit. Vielleicht muß ich auch schlicht akzeptieren, daß es eben grade nicht gut, nicht einfach, nicht lustig ist, daß ich nicht spielen kann und mich dieser Abschied, dieses Weggehen traurig und unglücklich macht, statt dagegen anzukämpfen und es immer wieder zu leugnen. Denn es ist schlicht so, und eigentlich ist auch das okay, solange ich trotzdem weitergehe, weiterpacke, dieses Leben in Kisten verstaue. Es sind nur noch zwei Wochen, bis ich sie wieder auspacken darf, und bis dahin bin ich dann vielleicht eben traurig.
Solang es immer noch Lichtblicke und Lachen und Freude gibt, darf vielleicht auch die Melancholie ihren Raum haben.

Nicht ganz passend, aber irgendwie schwebt es mir doch durch den Kopf: „Es fasst im Frühling der nur Mut, der sich im Herbst auch Trauer schenkt.“ – Konstantin Wecker

Ich glaube, es ist gut und richtig, dass dir der Abschied schwer fällt.
Ich erinnere mich da an ein Gespräch, das wir zusammen mit deiner Mutter geführt haben. In dem hast du (zumindest grob) umrissen, was Kiel dir bedeutet. Dass es die erste Stadt ist, die du für dich selbst erobert hast. Und eigentlich klang in jedem Satz mit, wie viel dir diese Stadt bedeutet.
Es ist ja auch viel, was du da aufgibst: Das Meer, dein Stammfrühstückslokal, dein Stammkino und vermutlich noch 1000 andere Sachen, von denen ich nicht einmal etwas ahne.

Verleugne den Abschiedsschmerz nicht, sondern verabschiede dich mit angemessener Trauer, aber vergiss dabei nicht, dass eine neue, tolle Stadt darauf wartet von dir erobert zu werden!

„Abschied ist solch bittersüßer Schmerz“
aus Hamlet von Shakespeare

Ich denke dieser Abschiedsschmerz ist normal und er darf da sein. Es steht ja mit diesem umzug eine große Veränderung an und du verlässt deine Wahlheimat. Es würde mich ehrlich gesagt wundern wenn du das ganz locker flockig machst als wäre das nichts ;)
Gib dem ganzen Raum, das ist okay.

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