18. August 2011

Sommergewitter.

Sie war's: Taren | am: 18.08.2011 | 21:54 | Stempel: Allgemein | Keine Gedanken »

Abends, als ich den Berg hinauf schlendere, in den Händen Tüten aus der Stadt und ein Lächeln auf den Lippen, als die ersten Tropfen groß und kühl auf meiner überhitzten Haut aufschlagen, als grellgelbe Wolken mit Blitzen die Welt zusammenzucken lassen und als Donner schwer über die Dächer rollt, da fühlt es sich zum ersten Mal wirklich an.
Abende, an denen ich nicht nach der Arbeit noch weitere Stunden vor dem Computer verbringen muß und aus den schon erschöpften Gedanken noch sinnvolle Sätze zu formen versuche, liegen jetzt hinter mir. Plötzlich habe auch ich wirklich Feierabend, wenn der Bus mich von der Klinik wegbringt, und ich kann ohne schlechtes Gewissen lesen, früh zu Bett gehen, mit Freunden den Abend weglachen. Leben.

Es ist ein harter Kontrast, vor dem mich vielleicht das Schreiben abends auch ein wenig beschützte. Keine Zeit, um lange noch nachzudenken, keine Zeit, die Schicksale zu begreifen. Und doch schichtet diese Zeit dort im Krankenhaus meine Ängste um, relativiert eigene Belastungen und läßt einen abends gehen voller Dankbarkeit, daß bislang das eigene Leben so verschont blieb. Zwei gesunde Hände, zwei gesunde Beine, Erinnerungsvermögen und Orientierung – nie sind sie mir kostbarer erschienen als zwischen den schwerkranken Menschen, die so mühsam Schritt für Schritt zurück ins Leben gehen. Es macht bescheiden. Und gleichzeitig macht es auch Mut, weil ich wundervolle intime Momente erlebe mit Menschen, die morgen oder schon in ein paar Minuten nichts mehr davon wissen, daß ich sie, daß sie mich berührt haben. Doch wird dadurch jedes Erkennen, jeder Gruß umso wertvoller, auch wenn sie meine Namen nicht kennen oder mich nach wie vor für einen netten jungen Mann halten – ich habe sie tief in ihrem Inneren erreicht, das nicht vergißt. Und dann strahle ich mit ihnen gemeinsam, wenn sie zu singen beginnen, wenn sie mich sehen, oder wenn die kleine Hand des Kindes nach meiner greift und sie festhält und lacht.

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