15. November 2013

Seemann.

Sie war's: Taren | am: 15.11.2013 | 10:00 | Stempel: erlebt, maritim, verzaubert | Keine Gedanken »

Die See hat mich lieb,
die See weiß es gibt
mehr als einen Weg zum Ziel.
Ich vertraue ihr blind,
ich bin ein Kind
der See.

Hafennacht

Zehn Tage auf See, und davon so viele, an denen kein Ufer am Horizont herübergrüßte. Endlos war die Weite der Wellenberge, die das Schiff rollen und stampfen ließen. Gischt schlug über den Bug, und badete alles in ihrer salzigen Flut. Die Bullaugen an meiner Kojen tauchten den Raum immer wieder in tiefgrünes Licht, wenn gurgelnd die See gegen die Scheiben schlug, und Schlaf war beim Schwanken oftmals nur schwer zu finden.
Es war eine wundervolle Reise. Die Stunden der Wache an Deck, in viele, viele Schichten gehüllt, in denen sich unter unseren Füßen unser Schiff unermüdlich dem Ziel entgegenkämpfte, schleudernd in den Gewalten des Meers. Hagel und Regen und Dunkelheit nachts, tagsüber manchmal einzelne herrliche Sonnenmomente, in denen wir plötzlich durch geschmolzenes Gold segelten. Mitunter kauerten sich alle, die nicht Ausguck oder Ruder zu gehen hatten, in kleinste Ecken unter dem Schanzkleid, nur um ein wenig Schutz vor dem Wind zu finden. Kaum einer blieb von Seekrankheit verschont, doch das alles war es wert – hoch oben auf den Rahen der Roald mit Blick über Meer, Wellen und Horizont, mitten in Regen und Gischt und Wind, liegt ein bisschen des reinsten Glückes, Freiheit in weißen Segeln und in rauen Tampen. Bis zur Brust einzutauchen, während man im Klüvernetz die Vorsegel beizufangen versucht, von hochschlagenden Wellen überflossen zu werden im Kampf mit dem widerspenstigen Tuch – nie fühlte ich mich so lebendig wie in diesem Wettkampf mit den Elementen.
Doch es sind nicht nur die lauten, wilden Momente, die den Zauber dieser Reise ausmachen, nein. In einer durchsegelten Nacht unter dem so großen Sternenhimmel stundenlang auf dem Vorschiff Ausguck gehen, umgeben von hunderten und tausenden von Lichtern auf und über dem Meer, und heimlich immer wieder den Blick nach oben erheben, um Sternschnuppen zu zählen, war beinah überwältigennd schön. Morgens von einem fröhlichen „Reise Reise, aufstehen!“ geweckt zu werden, und dann mit einer kaffeegefüllten Mugg schnell schon einmal an Deck zu huschen, um nach Wetter und See zu sehen, oder nachts die Hafenwachen zu zweit, in denen wir mit Tampenjagd und Knotenkunde und Erzählungen die Kälte und Dunkelheit vertrieben. Am letzten Abend die halbe Nacht mit Gitarre durchzusingen und zu lachen – so viele Lieder, so viel Musik!
Generell gab es so viel zu lernen, zu entdecken, zu erkunden! Besonders in den ersten Tagen kam ich kaum jemals zum Atemholen, ein neues Schiff wollte schließlich erobert werden, und immer gab es etwas, bei dem man mit anfassen konnte, bei dem Neues zu erforschen war. Nur zu bereitwillig beugten sich die anderen meinem Wissendurst und zeigten und erklärten mir gern, was immer ich wissen wollte. Überhaupt waren wir eine großartige Crew! So viele interessante und unterschiedliche Menschen, so viel Erfahrung! Um so mehr schmeichelte es mir natürlich, daß sie alle großen Wert darauf legten, aus diesem einmaligem Fremdgehen eine dauerhafte Liaison zu machen, und sie gaben sich große Mühe, mich auch in Zukunft an dieses Schiff zu binden. Natürlich ist es ihnen gelungen, eigentlich hatte ich nie eine Wahl. Was soll man machen, wenn der Captain persönlich einen auffordert, wieder mit ihm auf Reise zu gehen?
Und so ging die Anmeldung für die nächsten Reisen bereits heraus, so viel ist noch zu lernen. Und hoffentlich hilft das Wissen, daß in wenigen Monaten schon wieder Planken unter meinen Füßen sein werden, gegen das Vermissen, das so, so groß ist. Kaum jemals war es so schwer von Bord zu gehen. Und, wer weiß? Vielleicht sehe ich ja auch auf einer anderen Reise einen ganz besonderen Matrosen wieder.
Seeliebe, Seemannsliebe.

Kommentar schreiben

Kommentar