08. November 2009

Zugfahrt

Sie war's: Taren | am: 08.11.2009 | 21:46 | Stempel: außen, beobachtet | Keine Gedanken »

Eine Welt zieht vor dem Panoramafenster vorbei. Durch die Schwärze der Nacht treten andere Konturen hervor – erleuchtete Quadrate, Lichtpunkte, Laternen und Leuchtschriften. Eine Küche an einer Hausecke, antik und gemütlich, mit weiß-grünen Kacheln an den Wänden, und nur ein paar Sekunden weiter rote Samtvorhänge vor einem Kronleuchter. Eine festlich angestrahlte Kirche, eine Ladenzeile, dann folgt tiefe Dunkelheit. Feld, Wald? Es ist nicht zu sehen.
In der Ferne Autoscheinwerfer, weiß und rot, und auf dem Nachbargleis durchschneit viel zu hell ein anderer Zug die Nacht. Geblendet wende ich den Blick ab, will den anderen stillen Beobachtern nicht in die Gesichter sehen.
So anonym wie ich.
Orange und gelb grüßen Ortschaften herüber. Keine bleibt lang, sie fliegen vorüber. Natürlich sind dort Menschen, doch weil ich in allem Wissen und Erfahren immer in mir selbst eingeschlossen bin, bleiben sie nur theoretische Ahnungen.
Eine erste Lichterkette an einem Baum oder Busch illuminiert die kommende Jahreszeit. Ein Bahnsteig mit einem alten, langhaarigen Mensch darauf, einem küssenden Pärchen, für das ich als stille Beobachterin gar nicht existiere. Werbung für gute Abwehrkräfte.
Was hat dieser Kerl mit dem bunten Sombrero wohl noch vor? Was sucht die Frau am Boden in ihrer Handtasche? Schon ist die Szene, schon sind die Menschen, die für diesen einen Moment Teil meines Lebens waren, wieder daraus verschwunden. Schwärze umgibt mich.
Wie kleine Leuchttürme tauchen Fenster voll Licht darin auf und erlöschen wieder. Meine Gedanken wandern, zurück nach Harburg, zurück zu diesem Kuß.
Und auch wenn ich heute nichts für die Uni getan habe, war dieser Tag genutzt und schön wie kaum ein anderer.

Kommentar schreiben

Kommentar