Sonnenblumen im Frühling.
Mit dir an meiner Seite fühlt sich plötzlich selbst der weite, offene Raum des Stegs am Meer mit der Promenade dahinter nicht mehr groß an, sondern verengt sich ganz in dir. Ich lasse zunächst bewußt die mitgebrachte Mütze in der Gitarrenhülle liegen und spiele einfach für dich, und mit einem Mal ist es plötzlich selbstverständlich und leicht, den Text hinzuzufügen, zu singen, obwohl dort oben in der Sonne Spaziergänger gehen, obwohl hinter uns auf den Bänken des Stegs Menschen sitzen. Ich singe, für dich und für mich gleichermaßen, weil es sich gut und richtig anfühlt, in der Sonne dieses ersten richtig warmen Tages hier draußen am Wasser Musik zu machen, während wir beide unsere Nasen in die Sonnenstrahlen recken.
Jedesmal neu reißt mich der Applaus der Fremden nach einem Lied aus dieser Versunkenheit, und auch wenn ich auf Aufforderung hin doch die gehäckelte Mütze als Hut verwende und mit Scherzen auf Komplimente reagiere, bleiben doch du und ich im Mittelpunkt. Deine im Licht geschlossenen Augen, dein Lächeln, dein leises Summen bei den Liedern, die du kennst – und es ist dein Konzert, nur zufällig hier so öffentlich.
Noch vor wenigen Wochen hätte ich mich nicht getraut, dort so einfach zu sitzen und zu spielen und zu singen und Musik zu machen, wie ich Lust und Laune habe, ein wildes Durcheinander aus alten und neueren Hits, Schlagern, Volksliedern und Musicalsachen. Lagerfeuergitarre mit Gesang dabei, Straßenmusik, die doch nicht gespielt wird, um Geld zu verdienen, sondern weil der Frühling kommt und wir beide jung und verrückt und verliebt sind. Und so ist es mir jenseits meines üblichen Perfektionismus egal, wenn ich einmal daneben greife, wenn ein Lied noch nicht so gut klappt, weil ich es lange nicht mehr oder noch nie gespielt habe, denn darum geht es nicht. Ich gebe kein Konzert, sondern spiele, weil ich es will. Weil es mich glücklich macht, hier und jetzt auf dem Holz des Stegs am Wasser, die nackten Arme im hellen Licht und die baren Füße im Schneidersitz verschränkt, mit dir.
Daß schlußendlich doch genug Geld zusammen kam, um uns beiden einen Kakao zu finanzieren, daß wir lustige Begegnungen erlebten und zum Ende, als der Himmel schon grau war und niemand mehr lauschte, ich dir noch ein wirklich ganz privates Ständchen bringen konnte, machte diesen Tag gänzlich perfekt.
Deine Worte sind schön, wirklich schön.
Ich würde dich auch gerne wieder singen hören.