maritim

06. Juni 2010

Segel setzen

Taren • am 06.06.2010 um 10:38 in erlebt, maritim
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Schiffe zerbrechen im Sturm, Seemänner im Hafen.

Nie zuvor ist mir aufgefallen, daß mein Zuhause so still ist. Das Erwachen ist ungewohnt, fast erschreckend – Platz neben mir, keine Bordwand, an die man sich noch ein letztes Mal kuscheln kann, kein Knarren der Planken, kein fernes Gelächter und keine Schritte auf dem Deck über meinem Kopf. Ich stehe auf, ohne mich hastig anzuziehen, damit ich den Jockel anwerfen kann, und stehe nicht nach vier Schritten schon in der Messe, wo ich begrüßt werde und mir der Smut eine Tasse Kaffee in die Hand drückt.
Keine gut gelaunte Eile, um an Deck zu kommen, weil das Wetter jeden Morgen wieder neu eine Überraschung bereithält, keine endlose Weite um mich herum. Das Schwanken ist an Land schlimmer als auf See, wir alle taumelten und schwankten gestern, als wir gemeinsam noch bei unserem alten Captain zum essen eingeladen waren.
Es fehlt, wie jedesmal.
Kein Wind in den Haaren, kein Mensch, mit dem sich reden lassen würde, keine Arbeit, die auf mich wartet – in diesen Momenten des Ankommens daheim scheint es, als wäre meine alltägliche Welt ein Konstrukt unwichtiger, nebensächlicher Prioritäten, die mich einsperren statt mich zu tragen.
Es hilft nichts. Zwei Tage bis zum Referat in Pädagogik, ich muss auch heute schon eigentlich wieder für die Uni arbeiten. Doch diese Leere und Stille in mir bohrt und frisst.

Es ist gut, daß die 36 blauen Flecke, die deutlich vermehrte Kraft in den Armen mich noch einige Zeit an diese Woche auf See erinnern werden, auch wenn sie durchaus auch Schatten enthielt – gemeinsam mit seinem Exfreund 7 Tage auf engstem Raum birgt einfach zu viel Konfliktpotential. Auch das habe ich noch zu verarbeiten.
Und dann war da noch gestern der Schaffner zwischen HH und KI, der jede Ansage mit „Moin Moin“ begann, die aussteigenden Fahrgäste mit einem herzlichen „Tschüß!“ verabschiedete und uns bat, über die Verspätung doch bitte nicht „böse zu sein“.
Ich glaube, ich muss an die Förde.

20. Oktober 2009

54° 27′ 17″ N 10° 11′ 47″ E – Leuchtturm Buelk, Strande

Taren • am 20.10.2009 um 15:05 in beobachtet, maritim
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Einhundertachtzig Grad offene See, eine endlose Weite. Irgendwo hinterm Horizont locken die dänischen Inseln, dort, wohin der Wind weht.
Ein trahlend blauer Himmel spannt sich über die weißen Schaumkronen, die vereinzelt mit den Wellen spielen. Brausend bricht sich die Gischt an den Lahnungen. Rote und grüne Tonnen weisen eine Straße auf dem Meer aus, einige Segler kreuzen dazwischen, nutzen den Herbsttag. Wenn der Wind die letzten Blätter von den Bäumen gerissen hat, ist es todesmutig, noch hinauszufahren, aber heute – nein, noch lockt das Wasser. Zwischen ihnen spielen Motorboote und Fähren, ein müder Großsegler flieht in die ruhigen Wasser der Förde. Möwen lassen sich treiben.
Hinter mir, an der Öffnung der Bucht, steht weißschwarzweiß der Bülker Leuchtturm, draußen auf dem Meer leuchtet rotweißrot der Kieler. Ich möchte an ihm vorbei in die Unendlichkeit fliehen, mit dem Wind reisen. Doch der Winter zwingt Seemänner an Land.
Nur die Brandung rauscht an der Mole.

15. Oktober 2009

55°41′ N 10°43′ E – Storebælt mit Kurs auf die große Beltbrücke

Taren • am 15.10.2009 um 22:34 in erlebt, maritim, verzaubert
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Langsam, ganz sacht, lässt der Wind nach, welcher die „Albatros“ nun über eine Stunde mit rasanter Fahrt vor sich her jagte. Erschöpft lassen sich die Deckshands auf eine Backskiste sinken, müde liegen Hände im Schoß. Nun sind die Segel wieder ganz gesetzt, der Klüverbaum knirscht zufrieden unter dem Zug des straff gefüllten Tuchs. Kleine Wellen, kaum spürbar, kichern flüsternd am Bug.
Ich streife die nasse Wollmütze vom Kopf und schüttele, wie ein Hund, die feuchten Haare, so daß Tropfen wild um mich spritzen. Mit leisem Quietschen springt die Rudergängerin davon, obwohl ihr Ölzeug sie gegen das Wasser schützen würde. Mein Lachen ist schon ein wenig erlöst, jetzt, da die Wolkenfront langsam davon zieht, wir nicht mehr auf der Hut vor plötzlichen, starken Böen sein müssen. Ein Nicken des Captains, gut gemacht, stell‘ die Maschine jetzt aus.Kurz danach senkt sich die Stille über das Schiff. Nun ist das Plätschern der Wellen, das Ächzen des alten Holzes im Seegang plötzlich deutlich zu hören, das Quietschen des Leders der Klauen an den Masten, das Brausen des Windes in den Segeln. Ruhig, mit gleichmäßigen Bewegungen, bahnt sich die Albatros ihren Weg.
Als ich aus dem Maschinenraumschott wieder an Deck komme und mir nun das Ölzeug von den Beinen ziehe, trifft schon wieder, so kurz nach dem Regen, ein Sonnenstrahl mein Gesicht. Und mit einem Mal ist dieser Moment die ganze Welt.

08. Oktober 2009

54° 21′ 38.41″ N 10° 36′ 3.47″ E Leuchtturm Neuland, Behrensdorf

Taren • am 08.10.2009 um 19:29 in beobachtet, maritim
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Ein Stahl- und Stacheldrahtzaun durchschneidet den Strand, davor, auf der Düne, steht eine einsame Bank. Aus Nordwest dringen die Geräusche von Schüssen und Sprengungen herüber, gelbe Tonnen warnen im Wasser vor dem Truppenübungsgelände. Der Strand ist nicht touristenfein glattgefegt, Steine, Algen, natürliche Überreste des Lebens am Meer säumen den Weg. Tiefe Spuren hinterlassen meine Füße im Sand.
Über allem, vielleicht fünfzig Meter vom Wasser entfernt, tront der Neuländer Leuchtturm, ein sich drehendes Licht gen Norden, Richt- und Hoffnungsfeuer für Schiffe und Seemänner. Vor dem hellwolkigen Himmel wirkt er beinahe schwarz, nur der helle Fleck in seiner Krone ist deutlich zu erkennen. Versonnen bleibt mein Blick daran hängen. Egal, ob auf dem Wasser oder an Land – wenn Du ein Leuchtfeuer siehst, kennst Du den Weg. Ein tröstliches Zeichen in all der Einsamkeit auf den Wellen.

05. Oktober 2009

54° 20′ 40.71″ N 10° 9′ 20.89″ E Faehranleger Bellevue, Kiel

Taren • am 05.10.2009 um 20:26 in beobachtet, maritim
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Dunkelheit. Schimmernde Lichter als Spiegelungen auf dem Wasser, verwischte Schatten einmal quer über die Bucht. Leichter Wind aus Südost, ein Streicheln auf der Haut. Hinter Wolken beginnt mit grauem Licht der Mond aufzugehen, die Fähre nach Schweden zieht als grelleuchtender Koloss vorbei. Nordnordöstlich rote und grüne Funkelfeuer, der Leuchtturm grüßt von fern.
Nähe und Weite liegen eng beieinander, die Förde öffnet sich in die Welt, in welche der Dampfer entschwindet, hinaus aufs offene Meer. Einer Möwe gleich möchte man hinterherfliegen, und doch kann man für diesen Moment zufrieden sein, hier jetzt zu stehen.

Tränen der Sehnsucht und des Fernwehs in den Augen.

04. Oktober 2009

Yoho, yoho, a pirate’s life for me!

Taren • am 04.10.2009 um 12:10 in erlebt, maritim
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Wherever we want to go, we go. That’s what a ship is, you know. It’s not just a keel and a hull and a deck and sails, that’s what a ship needs. But what a ship is – what the Black Pearl really is – is freedom.
„Pirates of the Caribbean“, Captain Jack Sparrow

Sieben Tage auf See. Wir haben nicht so viele Seemeilen gemacht wie im Mai, die Crew von den Kids war auch nicht so fit wie wir damals. Aber Spaß hat es gemacht, und es war für mich ungeheuer lehrreich. Stammbesatzung, im zweiten Törn überhaupt – was für ein rascher Aufstieg! Und es gab soviel zu lernen für mich.
Mein Lehrmeister und Schiffsvaddern zeigte enorm viel Geduld, erklärte, ließ mich kräftig mit anpacken. Samstag Abend stand ich das erste Mal auf der Brücke und fuhr die Maschine, da noch mit ihm hinter mir. Schon Sonntag stand ich dort allein, Montag warf ich „Gisela“, unsere Hauptmaschine, das erste Mal selbst an. Wir reparierten das eine Pumpklosett, bis zu den Ellenbogen verdreckt, führten Öl- und Ölfilterwechsel durch. Die Tagesroutine war binnen kürzester Zeit kein Problem mehr, und gemeinsam lösten wir so manches kleinere und größere Problem. Donnerstag nannte mich mein Vadder zum ersten Mal nicht mehr „Anwärter“, sondern seinen „2. Maschinisten“..
Zu Hause ist es so unsagbar still. Der Wind fehlt, die Segel, der weite Blick, aber noch viel mehr die Menschen. Meine „Eltern“, die Crew, der Stamm – ein Haufen unterschiedlicher Typen und Charaktere, die zusammen auf engstem Raum leben, arbeiten, Freude haben.

Mein Arbeitstshirt liegt neben mir, und immer wieder nehme ich es in die Hand, schnuppere daran und denke an „meinen“ Maschinenraum. Eine weitere wundervolle Woche ist vergangen. Darin fiel mein Burzeltag kaum auf – klar, wir haben gemeinsam ‚reingefeiert, ich habe eine Flasche Sherry kreisen lassen, und auch die Kids sind so lange aufgeblieben. Ich habe Geschenke bekommen, eine Kette von der ganzen Crew mit einem Kleeblatt daran, ein Kalender von S., Kuchen von der Kombüse (S. und E.), ein stilechtes Maschinistenhalstuch mit Seemannsknoten von H., eine Flasche „bitterer Ernst“ von meinen Eltern und ein wundervolles Büchlein mit zwei Zimmermannsbleistiften von S. Aber an dem Tag war ich mir des Datums noch weniger bewusst als jemals zuvor, und es war gut so.

Yoho, yoho, a pirate’s life for me!

01. Juni 2009

Taren • am 01.06.2009 um 23:44 in erkannt, maritim
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T., kann man von Borderline Urlaub machen?!

Vielleicht. Kann man Urlaub von sich selbst nehmen? Ich hätte es nie zuvor für möglich gehalten, doch diese acht Tage bewiesen das Gegenteil. Es ist möglich, eine Auszeit zu bekommen – von mir, von der Uni, der Arbeit, sogar von meinen Gedanken.

Umso härter ist es, wieder in das alte zurückzukehren, das sich so gar nicht geändert hat – ich bin anders, doch wie ich das bewahren und umsetzen soll, das weiß ich nicht.

Als wären nicht 8 Tage, sondern Wochen, Monate, ein Jahr vergangen.

07. Juni 2008

Über’s Meer

Taren • am 07.06.2008 um 19:10 in erkannt, hören, maritim
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So viele Jahre
und so viele Sterne
ist es wohl her,
seit wir draußen sind
auf dem Meer.
[…]

Wie viele Himmel
und wie viele Länder
ist es wohl her,
seit wir draußen sind
auf dem Meer?
[…]

Sing ein Lied für den Ozean,
sing ein Lied über’s Meer,
und ich singe ein Lied für Dich –
wird das Herz mir auch schwer.
[…]

Hafennacht, „Über’s Meer“

Meer ist Liebe, ist Sehnsucht. Ist Endlosigkeit und Ewigkeit, Verheißung, Versprechen, Verlockung. Am Meer zu sein heißt, sich dem Teil in Dir, der Melancholie, Wehmut und verzweifelte Hoffnung beherrbergt, hinzugeben – und sich auch selbst zu verlieren. Doch vermag es mein seltsames Wesen, in diesem Verlust sich selbst zu finden, für ein paar Minuten, Stunden, einen Tag.

Ich habe erfahren, daß es in meinem Leben, in meinem Sein zwei große Lieben gibt und schon lange gab, die sich in allen Wirbeln und widerstreitenden Strömungen als Konstanten erwiesen – manchmal von einem machtvollen, leidenschaftlichen Sog überdeckt, doch so beständig, daß sie irgendwann wieder an die Oberfläche gelangen, so fest und zuverlässig wie zuvor. Die eine von den beiden Lieben bestimmt in dieser Zeit mal wieder einmal mit Sehnen und Verlangen meine Musik und meine Planung für Tagesausflüge und Urlaube, die andere wird ab Mittwoch auf meinem Leib verewigt sein. Mosyone bekommt Mittwoch ihr seit Jahren gewünschtes Tattoo, auf dem Schulterblatt, und sie freut sich einen Keks. :D
Also – neugierige Besucher sind dann ab diesem Tage willkommen, um das Werk zu bestaunen *hihi* Und die andere Sehnsucht – trage ich in meinem Herzen. Und ich weiß mit ihr um ein Ziel, einen Traum, aber auch schon jetzt und immerfort ein Zufluchtsort, wenn die Wirklichkeit mich überrennt – das Meer.

- Zukunft